Cape Epic-Sieger Georg Egger im Interview: „Ich glaube, dass wir durch unsere offensive Fahrweise das Rennen gewinnen konnten“
Mit dem achttägigen Etappenrennen Cape Epic in Südafrika startete vor wenigen Tagen die Mountainbike-Rennsaison so richtig durch: Die „Tour de France des Mountainbikens“ markiert seit etlichen Jahren das erste Saison-highlight und lockt viele Top-Stars der Marathon- und Cross-Country-Szene ans Westkap – unter anderem auch im Hinblick auf die Vorbereitung der Weltcup-saison mit dem bevorstehenden Lauf im Albstädter Bullentäle vom 06. - 08. Mai 2022. In diesem Jahr sorgten die beiden deutschen Fahrer Lukas Baum und Georg Egger für eine faustdicke Überraschung und holten den Sieg vor namhafter Konkurrenz, die unter anderem die beiden Weltmeister in den Cross-Country- und Marathon-Disziplinen, Nino Schurter und Andreas Seewald, umfasste. Im Interview spricht Georg Egger über die besondere Rennwoche und die Erlebnisse in Südafrika.
Acht Renntage, 681 Kilometer und 16.900 Höhenmeter – die nackten Zahlen des Cape Epic 2022 sprechen für sich: Das Etappenrennen, das seit vielen Jahren sowohl Profis als auch Hobby-Athlet*innen in seinen Bann zieht, sorgte in diesem Jahr einmal mehr für ein wahres Spektakel. Während bei den Damen das argentinisch-amerikanische Duo Sofia Gomez Villafane/Haley Batten mit konstanten Leistungen souverän im Ziel jubeln konnte, blieb es im Herrenfeld bis zuletzt besonders spannend. Wesentliche Protagonisten dabei: Georg Egger und Lukas Baum – beide dicke Kumpels, die hauptsächlich nach Südafrika reisten, um „gemeinsam riesig viel Spaß auf dem Bike“ zu haben.
Als Underdog gestartet, waren Egger und Baum jedoch bereits von Beginn der Rennwoche präsent an der Spitze vertreten und fuhren sich nach und nach in die Herzen der Mountainbike-Fans vor Ort und an den Bildschirmen rund um den Globus. Denn im Gegensatz zu den anderen Top-Teams um Superstar Nino Schurter und Co. mussten Baum und Egger auf eine besonders ausgiebige Teamlogistik mit einer großen Support-Crew verzichten und nutzten lediglich ein gemietetes Wohnmobil als Unterschlupf und die Unterstützung des Vaters von Lukas Baum als Mechaniker. Darüber hinaus bestach das deutsche Duo mit einer enormen Angriffslust während der Etappen und sorgten immer wieder dafür, dass die Rennverläufe besonders unberechenbar wurden.Dieser Mut wurde schließlich belohnt: Stück für Stück nährten sich die Beiden dem über sechs Tage führenden Spitzenduo Andreas Seewald/Martin Stošek an, um sie dann auf der letzten Etappe mit einem famosen Ritt noch vom Cape Epic-Thron zu stoßen.
Ein Erfolg, den keiner innerhalb der Szene in dieser Form erwartet
hätte: Lukas Baum konnte als Juniorenfahrer sein großes Talent als
Weltmeister in der Nachwuchsklasse bereits unter Beweis stellen,
kehrte dann aber für eine lange Zeit dem Radsport den Rücken. Auch
Georg Egger, der zwar in der Cross-Country-Disziplin mit
erfolgreichen Ergebnissen wie dem achten Rang bei den vergangenen
Europameisterschaften glänzen konnte, war bis dato nicht
zwangsläufig als Kandidat für einen Triumph beim Cape Epic
gehandelt worden. Wir konnten uns nach der glorreichen Woche mit
Georg Egger unterhalten!
Interview mit Georg Egger
Stadt
Albstadt: Glückwunsch an euch beide für eine beeindruckende
Leistung! Cape Epic-Sieger 2022 – konntet ihr das beide schon
irgendwie realisieren? Was bedeutet der Erfolg für euch?
Georg Egger: Wir
sind immer noch ziemlich geflasht vom Rennen und dem ganzen Trubel
danach. Ich weiß nicht, inwiefern man so einen Erfolg realisieren
kann. Ich meine, wir kämpfen tagtäglich dafür und irgendwo ist es
auch das Ziel sowas mal zu erreichen. Daher hab ich es jetzt im
ersten Moment recht gefasst aufgenommen, freue mich aber natürlich
riesig, dass alles so aufging wie wir es uns erträumt haben und wir
auf der größtmöglichen Bühne so abliefern konnten. Und das alles
noch zusammen mit Lukas, meinem besten Kumpel, das ist abartig geil!
Wir sind immer noch ultra happy, auch für unser neues Team Speed
Company Racing. Ein richtig toller Anstich, den wir da leisten
konnten – nicht nur mit dem Erfolg jetzt, sondern auch mit den
Siegen beim Costa Blanca Bike Race und dem Mediterranean Epic zuvor.
Das wird mit Sicherheit noch eine große Bedeutung für uns, unser
Team und unser zukünftiges Sportlerleben haben. Wir sind gerade
bei Etappenrennen ja ziemlich erfolgreich gewesen, was vielleicht
auch bedeutet, dass wir in Zukunft da vermehrt unseren Fokus
drauflegen werden. Auf der anderen Seite wollen wir beide trotzdem
weiterhin im Cross-Country-Bereich und auf der Straße aktiv bleiben.
Nächstes Highlight wird dann der Weltcup in Albstadt sein.
Stadt Albstadt: Im Rennen selbst seid ihr von Beginn an
aufgefallen durch eine sehr offensive Fahrweise – war das so der
Plan oder hat sich das jedes Mal aufs Neue während der Etappen
ergeben?
Georg Egger: Eine
offensive Fahrweise war schon immer etwas, was Lukas und ich mochten.
Wir haben uns einfach richtig gut gefühlt und sind deshalb
vielleicht noch einmal etwas offensiver gefahren. Das Risiko ist
natürlich auch immer beim offensiven Fahren, dass man brutal eingeht
oder sich verzockt. Wir haben das jetzt beim Cape Epic aber immer
richtig gut dosiert: Wir haben zwar immer wieder richtig am Gashahn
gedreht, aber nie so weit, dass es uns komplett kaputt gemacht hat. Ich glaube, dass
wir am Ende durch die offensive Fahrweise das Rennen gewonnen haben
beziehungsweise unsere Gegner ein Stück weit einschüchtern konnten,
sodass sie mental benachteiligt waren. Aber wir haben
unsere Fahrweise schon immer an die jeweilige Etappe angepasst. Das
ein oder andere Mal haben wir uns zuvor schon einen Plan
zurechtgelegt, genau an dieser oder jene Stelle zu attackieren –
was letztlich aber nicht immer unbedingt so auch funktioniert hat.
Oft entstanden die Angriffe dann auch aus der Situation heraus.
Stadt
Albstadt: Wie hat sich die Woche für euch denn angefühlt? Vom
„belächelten“ Underdog zu Beginn zum Top-Team am Ende? Beschreib
gerne kurz, wie die Etappen so für euch liefen.
Georg Egger: Die
Woche war einfach nur „crazy“! Wir hatten nur ein Wohnmobil, alle
anderen haben sich eine riesengroße Burg aufgebaut, mit mehreren
Wohnmobilen, Teamzelten, Foodtrucks und Co. Für uns war das Setup
jedoch gefühlt fast ideal, eventuell würden wir in Zukunft noch
einen Betreuer mehr dabei haben wollen. Auch ein Physiotherapeut ist
sicher etwas, was wir bei einem weiteren Start dazu nehmen würden.
Wir haben während der Etappen in Stellenbosch eine Physiotherapeutin
kennengelernt, die uns dann auf den letzten Etappen unterstützt hat.
Das hat uns sehr geholfen. Dieser
„Low-Budget“-Ansatz war jedoch für uns genau das Richtige und
das würden wir auch bei weiteren Starts beim Cape Epic so
beibehalten wollen. Als wir in
Südafrika ankamen, waren wir erstmal ziemlich überwältigt und fast
schon ein bisschen eingeschüchtert. Als wir die ganzen Top-Teams mit
ihrem Setup sahen, sind wir direkt in unser Wohnmobil zurück
reingekrochen. Aber wir haben dann recht schnell ins Rennen
reingefunden und unsere Strategie zur Organisation rund ums Rennen,
was Nachbereitung mit Ernährung, Regeneration und Co. angeht, stetig
optimiert. Was natürlich super cool war, dass wir dadurch auch eine riesige
Fangemeinde auf unserer Seite hatten: Die Leute vor Ort konnten sich
mit uns einfach besser identifizieren als mit den richtig großen
Teams und so waren wir für die Fans vor Ort auch am greifbarsten.
Stadt
Albstadt: Eine der großen Geschichten des Cape Epic in diesem Jahr
war euer Erfolg im Zusammenhang mit der Vorgeschichte von Lukas und
der Tatsache, dass ihr ohne großen Teamsupport am Start standet. War
das nicht ein Handicap bzw. wie konntet ihr es schaffen trotzdem so
erfolgreich zu sein?
Georg Egger: Wie
zuvor bereits angedeutet, haben wir natürlich versucht, im Rahmen
unserer Möglichkeiten alles bestmöglich zu optimieren. Wir sind mit
Absicht nicht auf öffentliche Toiletten gegangen oder haben stets
unser eigenes Essen gekocht, um einer möglichen
Lebensmittelvergiftung oder Ähnlichem aus dem Weg zu gehen. Ich
würde uns da nicht als benachteiligt sehen, auch wenn es vielleicht
die meisten Außenstehenden so einstufen würden. Unserer Meinung
nach ist es das wichtigste, dass man selber gesund bleibt und gutes
Essen bekommt. Das muss auch nicht besonders komplex sein, bei uns
war das meistens Reis und Gemüse – da braucht es dann auch keinen
extra Koch dafür. Ein weiterer
Faktor ist natürlich, dass das Fahrrad gut laufen muss und man von
Defekten verschont bleibt. Da hatten wir natürlich auch bisschen
Glück, dass uns nicht besonders schwerwiegendes passiert ist. Aber
auch da gilt: Wir haben keine zwei linken Hände und die meisten
Reparaturen bekommt man zur Not auch selber hin. Wir haben halt nicht
wie die anderen Teams unsere Fahrräder nach jeder Etappe komplett
auseinandergebaut, sondern nur das Nötigste gemacht – hat ja auch
so ganz gut geklappt. Unser Mindset vor
dem Rennen war so eingestellt, dass wir uns keinen Kopf über
irgendwelche Dinge machen wollten. Wir wollten einfach immer nach
vorne schauen und von Tag zu Tag fahren. Immer jeden Tag alles geben,
was ja auch gut funktioniert hat.
Stadt
Albstadt: Wie geht’s weiter bei euch? Was sind die weiteren Ziele
in dieser Saison?
Georg Egger: Wir
hören jetzt auf! Nein, Spaß! Als Nächstes stehen die beiden
Weltcups in Albstadt und Nove Mesto auf dem Programm. Die großen
Ziele von uns sind die deutschen Meisterschaften in allen drei
Disziplinen Marathon, Cross-Country und Straße. Dann wollen wir bei
den internationalen Meisterschaften angreifen, insbesondere bei den
Marathon-Meisterschaften. Die anstehende
Cross-Country-Europameisterschaft in München ist natürlich noch ein
großes Ziel. Sonst werden wir noch bei ein paar Etappenrennen am
Start stehen und idealerweise an den jetzigen Erfolg anknüpfen.
Stadt Albstadt: Vielen Dank dir!
Georg Egger: Ich
danke euch!
Fotos: (c) Albstadt / Nick Muzik
Weitere Informationen unter www.bikezone-albstadt.de