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2020 UCI Mountain Bike Cross-Country World Championships presented by Mercedes-Benz in Albstadt - 20 Köpfe für 2020 (1):  Ronja Eibl, Local Hero und Hoffnungsträgerin

Aus welcher Perspektive man die WM in Albstadt auch betrachtet, an Ronja Eibl kommt man kaum vorbei. Man entdeckt sie auf Werbe-Bannern als ein „Gesicht der WM“. Wenn man nach deutschen Medaillenkandidaten bei der Heim-WM fragt, fällt ihr Name am häufigsten. Kommt man auf das Olympia-Jahr 2020 zu sprechen, taucht sie als potenzielle Teilnehmerin auf. Werden die Zukunfts-Perspektiven der deutschen Cross-Country-Biker erörtert, dann stößt man rasch auf die 20-Jährige von der Schwäbischen Alb. Und geht es um den „Local Hero“, dann ist das Lokalkolorit bei Ronja Eibl sicherlich am kräftigsten eingefärbt. Ihr Heimatort Grosselfingen ist nur zwanzig Minuten von der Rennstrecke entfernt, ihr Klub, die RSG Zollernalb ist in Albstadt beheimatet und Bestandteil der Organisation. Bis zum vergangenen Jahr war sie immer noch als Helferin eingesetzt. Als Streckenposten und im Strecken-Auf- und Abbau. Ronja Eibl ist in die Rolle der Hoffnungsträgerin im Eiltempo hineingewachsen. Bis sie 16 war, hat sich das noch nicht angedeutet, erst im zweiten Jahr U19, als sie Bundesliga-Gesamtsiegerin wurde. Das war vor zweieinhalb Jahren. 2018 holte sie in der U23 ihren ersten deutschen Meister-Titel. Ihr Coach Bernhard Mast-Sindlinger wusste natürlich vorher schon, dass er ein Juwel in seinem Klub hat. Doch er trat lieber auf die Bremse, auch was die Trainingsumfänge anging. Ronja Eibl wird bei der WM und auch schon davor sehr stark im Fokus stehen. Im Gespräch zeigt sie sich offen, ihre Antworten sind immer mal wieder gewürzt mit einem Schuss Humor. Überspitzte Aussagen relativiert sie mit einem Lachen.

Ronja, aus Ihnen ist in einem Raketentempo die deutsche Hoffnungsträgerin geworden. Wie geht es Ihnen in dieser Rolle?
Ronja Eibl: Also, ehrlich gesagt, lass ich das genauso wenig an mich ran, wie den Umstand, dass ich das Gesicht der WM in Albstadt bin. Ich würde mich nicht so bezeichnen, das sehen andere Leute halt so. Für mich ist es immer noch so: ich fahre jetzt Weltcup, das sind die größten Rennen, die es gibt. Aber vom Ding her hat sich, seit ich Alb-Gold Juniorscup gefahren bin, bis jetzt, im Großen und Ganzen nichts geändert. Für mich ist es immer noch so: ich gehe trainieren, ich fahre zum Rennen mit meinem Vater, ich fahre mein Rennen (lacht). Egal, ob Juniorscup oder Weltcup.

Vermutlich wird es sich am 27. Juni im Bullentäle aber etwas anders anfühlen?
Ja, Bisher waren da (im U23-Weltcup) um 8:30 Uhr halt zehn Zuschauer und irgendwelche Eltern und zwei vom Roten Kreuz (lacht). Im Grunde hat es wohl keinen interessiert, wer im Weltcup das U23-Rennen gewonnen hat. Ich denke, das wird in Albstadt schon eine andere Atmosphäre.

Sind Sie gewappnet für die Ansprüche und Erwartungen, die an sie gestellt werden?
Ich werde versuchen unnötige Dinge zu eliminieren oder einzuschränken. Um manche Sachen wie Pressezeugs und Interviews kommt man ja nicht drum herum, aber die macht man ja hin und wieder sowieso. So krass sehe ich das noch gar nicht. Für mich ist es trotzdem halt ein Rennen in Albstadt und gleichzeitig eben ‘ne WM.

Da stoßen wir aber auf ein wichtiges Thema. Die wichtigen Rennen und Ronja Eibl, das ist noch keine Traumkonstellation. Sie hatten 2019 ein einziges Mal Defekt und das war bei der EM. Sie waren einmal krank, das war bei der WM.
Einmal Defekt, einmal Infekt (grinst). Bei der EM hatte ich bisher immer einen Defekt und ich habe sonst kaum mal einen Defekt. Aber wenn, dann bei der EM. Bei den Europameisterschaften hatte ich auch noch nie das Feeling, vielleicht liegt das an den Locations.

Ich vermute, Sie sind keine Anhängerin von Verschwörungstheorien. Ist das Zufall?
Kann sein, dass man doch etwas mehr aufgeregt ist. Der Platten in Brünn bei der EM war ganz eindeutig ein Fahrfehler. Ich bin im Training, zehn bis 15 Mal über das Steinfeld gefahren und es hat nie ein Geräusch gemacht. Und im Rennen knalle ich mit dem Hinterrad komplett gegen so einen Stein. Aber bei der DM habe ich auch mehrere Anläufe gebraucht, bis es dann mal geklappt hat. Vielleicht ist es ja bei der EM auch so. 2020 ist das Jahr der Heim-WM und nach aktuellem Stand könnte Ronja Eibl fünf Wochen später in Tokio auch noch ihre Olympia-Premiere feiern. Im Herbst ist die Radsportlerin in Todtnau in die Sportfördergruppe der Bundeswehr eingerückt. Die Grundausbildung liegt hinter ihr, jetzt könnte sie sich voll und ganz auf dieses herausragende Jahr konzentrieren. Doch der U23-Weltcupsiegerin ist nur Radfahren nicht genug. Sofern sie einen Studienplatz bekommt, will sie zum Sommer-Semester ein Medizin-Studium beginnen. Im Zweifel auch Zahnmedizin.

Medizin und Leistungssport, das ist eine anspruchsvolle Kombination, gerade im Olympia-Jahr.
Ja ist schon viel, aber ich habe das auch schon in der Schule gut strukturiert durchziehen können. Eigentlich kann ich unter Stress-Situationen besser arbeiten, als wenn ich viel zu viel Zeit habe um was zu erledigen. Auch andere Radsportler haben ja auch Medizin oder Zahnmedizin studiert, wie zum Beispiel Annika Langvad (Ex-Weltmeisterin aus Dänemark).

Das Sommersemester kollidiert aber mit Heim-WM und Olympia.
Ja, aber in Medizin ist es im ersten Semester hauptsächlich Anatomie und Physiologie, hauptsächlich auswendig lernen und ich denke, wenn ich öfter mal nicht in den Vorlesungen bin, ist das nicht schlimm. Wir werden sehen.

Das wirkt so, als ob Sie die olympischen Spiele, deren Bedeutung im Sport ziemlich aufgeblasen wird, gar nicht so hoch hängen?
Nee. Ich seh das genauso: dass nämlich alle einen zu großen Ballon draus machen (lacht).

Und die Heim-WM?
Ich denke, wenn es zu den Rennen kommt, wird schon eine entsprechende Anspannung da sein. Aber im Endeffekt muss man auch denken: es ist nur ein Rennen, wie jedes andere auch. Ob man da nun richtig gut fährt oder nicht – okay das ist erst mal geil, wenn es gut war oder enttäuschend, wenn es nicht so gelaufen ist – aber ein paar Wochen später ist das sowieso wieder Geschichte. Bis zu den nächsten olympischen Spielen weiß sowieso niemand mehr, wer da auf vier oder fünf gelandet ist. Deshalb ist es sowieso komplett wurscht. Ich denke nicht, dass ich in Tokio um den Sieg fahren werde, das muss man realistisch sehen. Ich fahre da mit, um viel Erfahrung zu sammeln und meine Leistung abzurufen. Vielleicht ist es eben gut, wenn man nicht von Null auf Hundert kommt. Siehe Jenny Rissveds und Julie Bresset (beide Olympiasiegerinnen litten hinterher an Depressionen, bzw. mentaler Erschöpfung). Trotz dieser gleichermaßen reflektierten wie lässigen Haltung, an Ehrgeiz mangelt es Ronja Eibl nicht. Nachdem sie voriges Jahr noch vorsichtig regelmäßige Top-Fünf-Ergebnisse im U23-Weltcup als Ziel formulierte („das hat ja gut geklappt“), will sie 2020 den Gesamtsieg im U23-Weltcup wiederholen, bei der WM in Albstadt eine Medaille, „im besten Fall gewinnen“, und bei der EM in Graz im Mai zumindest mal ohne Defekt durchkommen. Also „möglichst viele Trikots“ holen, fasst sie zusammen. Doch die Ergebnisse alleine, sind es nicht, die sie motivieren.

Was ist es denn, was Sie in Ihrem Sport antreibt?
Das Gefühl Rennen zu fahren, an seine Grenzen zu gehen. Komplett am Arsch sein, auf gut Deutsch gesagt. Und dann einfach die Überflutung an Emotionen, wenn man die Ziellinie überquert. Was mir auch wichtig ist: Mountainbike ist eine Individual-Sportart, trotzdem gibt es ein Team-Feeling. Ich genieße es jedes Mal ins Trainingslager zu gehen. Und schließlich: Auf was freuen Sie sich bei der WM in Albstadt am meisten? Am meisten freue ich mich darauf, viel Unterstützung von Familie und Freunden zu bekommen und natürlich darüber, dass endlich mal wieder eine WM in Deutschland ausgetragen wird, bei der wir uns hoffentlich allesamt gut präsentieren werden.

Ronja Eibl
Geburtstag: 30.09.1999,
Wohnort: Grosselfingen,
Größte Erfolge: U23-Weltcup-Gesamtsiegerin 2019, 3 U23-Weltcupsiege, 3 zweite Plätze, Vize-Weltmeisterin mit dem Team 2018, Deutsche U23-Meisterin 2018 und 2019.

Weitere Informationen unter www.world-cup-albstadt.de und www.wm2020albstadt.de
  

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