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2020 UCI Mountain Bike Cross-Country World Championships presented by Mercedes-Benz in Albstadt -  20 Köpfe für 2020 (17): Eine multifunktionale MTB-Familie

Hinter der Nummer 17 der Serie 20 Köpfe für 2020 verbirgt sich in Wirklichkeit nicht nur ein Kopf, sondern ein Trio.  Bernhard Mast-Sindlinger und seine Söhne Tobias und Gabriel sind eng mit dem Mountainbike-Sport und speziell mit dem am Weltcup-Standort Albstadt verbunden. Und zwar in sehr vielfältigen Kombinationen, die es in dieser Konstellation wahrscheinlich nirgends sonst gibt. Ein Video-Gespräch über ihr Wirken in der RSG Zollernalb und darüber hinaus.

Tobias Sindlinger sitzt in seiner aktuellen Wohnung in Herrenberg und startet die Skype-Konferenz. Gabriel Sindlinger taucht im heimischen Magrethausen vor dem Bildschirm auf. Man muss noch kurz auf Vater Bernhard Mast-Sindlinger warten, bis die multifunktionale MTB-Familie fast komplett ist. Mutter Karla Sindlinger ist nicht dabei, aber ihr Wissen wird zwischendrin mal angebohrt werden.

Das Gespräch nimmt rasch Fahrt auf, nach ein paar Minuten ist man bei grundsätzlichen Fragen der Nachwuchsarbeit im Mountainbike-Sport gelandet und treibt entlang allgemeiner Entwicklungen, mit denen sie bei der RSG Zollernalb konfrontiert werden. Rasch wird klar: am anderen Ende der Leitung sitzt eine Menge Kompetenz, die sich einerseits aus Sportler-Erfahrungen und anderseits aus der Auseinandersetzung als Trainer im Verein rekrutiert.

Die WM in Albstadt ist abgesagt. Wehen die Fahnen bei Ihnen zuhause auf Halbmast?
Bernhard Mast-Sindlinger: Kommt drauf an, wen man fragt. Eine gewisse Enttäuschung ist natürlich da. Für Ulf Haasis und mich wäre das der Abschluss gewesen. Aber die Stimmung ist nicht komplett im Keller. Die Bewerbung für Weltcup 2021 steht. Sollte der auch platzen, dann wäre das schon frustrierend und ein herber Rückschlag für den Mountainbike-Sport in Albstadt und in der Region.  

2013 gab es den ersten UCI Mountainbike-Weltcup in Albstadt. Davor fanden internationale Bundesliga-Rennen und deutsche Meisterschaften im Bullentäle statt. Hatte das für Sie als junge Sportler eine Wirkung?
Tobias Sindlinger: Ich habe früher, als ich noch nicht in Stuttgart gelebt habe, wöchentlich Kindertraining geleitet. Für die Kinder war Weltcup was Cooles, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es sie zum Rennen fahren motiviert hat. Für mich selbst war es dagegen schon eine Motivation. Schon die Bundesliga-Rennen davor haben mich brutal motiviert. Ich habe von Anfang an komplett mit der Szene mitgelebt. 2013 war ich Chaperon (Aufpasser für die Sportler, die nach dem Wettkampf zur Antidoping-Kontrolle müssen), beim Eliminator von Thomas Litscher (Schweiz, WM-Dritter 2017) und im Cross-Country-Rennen sogar vom Sieger, dem Australier Daniel McConnell. Das war schon mega geil, das hat schon einen gewissen Push gegeben. Einerseits die Rennen mitzumachen und andererseits in Richtung sich mehr damit zu beschäftigen.   

Gabriel, wie war es bei Ihnen?
Bei mir war vielleicht die Ebene des Rennen Fahrens noch ausgeprägter. Just in dem Jahr 2012 war ich in der Jugendklasse sehr erfolgreich und hatte dementsprechend Ambitionen. Ich hatte das Ziel Weltcup zu fahren und schon im ersten Jahr bist du an der Strecke gestanden und hast gesagt: da willst du unbedingt mal mitfahren. Bei mir ging es leistungsmäßig dann etwas abwärts. Aber ich war nach dem Aaron (Beck) der nächste, der Weltcup fahren durfte. Im Junioren-Weltcup (den es damals noch gab) habe ich es nicht geschafft, aber 2015 habe ich es in der U23 dann geschafft. Der Weltcup war für mich ein Kindheitstraum, ein Traum von jedem Mountainbiker, der die Nachwuchs-Serie fährt. Es war immer das große Ding, einen Weltcup zu fahren. Die Chance zu haben, dass auch zuhause zu fahren, das so greifbar zu haben, das war für mich schon sehr hilfreich, sehr motivierend.

Und wie haben Sie als Vater und Trainer das erlebt?
BMS: Es sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Wir sind in Albstadt ein wenig weg von den Zentren (des MTB-Leistungssports in Baden-Württemberg) Freiburg und Kirchheim. Wir hatten lange keine Kaderfahrer. Gabriel war der Erste, der quasi alle Landeskader-Jahre durchgemacht hat und zwei Jahre im Jugendkader des BDR war. Nachdem wir das im Verein systematischer in Richtung Rennsport betrieben haben, ist der Weltcup eine tolle Entwicklung gewesen. Für Ronja (Eibl), Tobias Steinhart und so weiter ist das super. Wir hatten immer auch Rennen für den Nachwuchs, aber seit beim Weltcup der Short Track eingeführt wurde ist das Zeitfenster für den Nachwuchs zu eng.  
GS: Beim Weltcup war der Alb-Gold Juniorscup halt mehr Beiwerk. Bei Bundesliga war das mehr ein Teil des Ganzen. Oder auch bei der DM 2011.
BMS: Für die Breite des eigenen Nachwuchs haben wir jetzt weniger Wettkampf-Angebote. Deshalb ist das eine zweischneidige Sache.  
TS: Am Anfang haben wir das schon ziemlich gut hingekriegt. Als wir selbst 2006 angefangen haben, da waren wir mit Trainer Rainer Schairer zehn Kids im Training. Das war die komplette Truppe. Innerhalb kurzer Zeit, von vier, fünf Jahren haben wir es geschafft, dass der Parkplatz an der Zollernalb-Halle nicht mehr ausgereicht hat. Wir hatten dann zum Teil über 50 Kinder, das war schon ein Boom. Das hat dazu geführt, dass viele Eltern Trainer wurden und wir im Bullentäle gebaut haben. Ein großer Teil der Jugendfahrer stand nicht nur beim Training am Mittwoch oder Donnerstag, sondern haben am Dienstag auch im Bullentäle gebuddelt. Inzwischen sind die Zahlen aber auch wieder zurückgegangen.
BMS: Am Anfang war auch der Weltcup noch eine Vereinsveranstaltung. Mit der zunehmenden Professionalisierung desto geringer wurde der Anteil der RSG. Aber es stimmt, lange Jahre hat das gut funktioniert. An der Stelle darf man aber auch nicht vergessen, dass der Albstadt Bike-Marathon auch eine Rolle gespielt hat.    

Dass es eine Art Delle bei den Zahlen im Nachwuchs gibt, ist das eine regionale oder allgemeine Entwicklung?
TS: Was ich beobachte ist, dass beim Alb-Goldcup sogar mehr los ist. Aber die Kinder haben zwar Lust am Rad fahren, aber an manchen Punkten nicht mehr so Bock sich zu quälen. Mein Eindruck ist, die gehen lieber in den Bikepark. Oder, wie seht Ihr das?
GS: Ich glaube die Thematik, die es auch in Fußball-Vereinen gibt, dass sie Nachwuchs verlieren, die gibt es auch bei uns. Ich habe aber keine verlässlichen Zahlen.  
BMS: Das lässt sich im Moment nicht wirklich beurteilen. Ich weiß, dass die Zahlen in der Nachwuchs-Sichtung stabil sind. Im Moment kann man sowieso nichts sagen, weil es keine Veranstaltungen gibt. Aber in der Summe gesehen gibt es so was wie im Fußball nicht, wo man überall Spielgemeinschaften bilden muss. Was den Rennsport betrifft, gebe ich Tobi Recht. Ab der U17 aufwärts wird es schwierig. Ich kann mir vorstellen, dass wir nächstes Jahr eine Delle bekommen. Aktuell (mit den Absagen wegen der Corona-Pandemie) die Motivation hoch zu halten, dafür braucht es einen echten Biss.  
TS: Man muss auch sehen, dass es heute viel mehr Möglichkeiten gibt Mountainbiker zu sein. Anfang der 2000er gab es Cross-Country und für die Älteren Marathon. Es hat sich aber krass weiterentwickelt, es gibt Enduro Bikes und es gibt Bikeparks.  
BMS: Der Spaßfaktor hat sich stark erhöht. Als Ihr Kinder gewesen seid, gab es diese Optionen nicht.  
TS: Es war ein Vorteil nur Hardtails zu haben. Wenn Zehnjährige mit Fullys kommen, lernen sie nicht mehr gescheit Radfahren. Mit einem Downhill-Bike mit 140 Millimeter Federweg prügelst du über alles drüber. Mit dem Hardtail muss man viel feinfühliger fahren und Linien finden.   

Bernhard Mast-Sindlinger verknüpft auch seinen Beruf als Rektor des Sonderpädagogischen Bildungs-Zentrums mit Förderschwerpunkt Lernen in Tailfingen mit dem Mountainbike-Sport, bzw. mit der RSG Zollernalb. Über den Bikepool des Landes hat die Schule für die Fahrrad-AG 20 Mountainbikes, mit denen die Schüler einfache Fahrtechnik erlernen können oder Ausfahrten machen. Die Schüler können die Bikes für das Vereinstraining bei der RSG ausleihen. Gabriel Sindlinger spricht davon, dass die Schüler fast noch mehr Spaß im Training hatten wie andere Kinder, obschon sie konditionell und motorisch nicht ganz altersgemäß entwickelt sind. Für Pädagoge Bernhard Mast-Sindlinger ist das die Möglichkeit seine Schüler in einen Kontext zu bringen, der ihnen sonst vermutlich verschlossen blieben. Weil Mountainbiken dann doch eine Sportart ist, die nicht besonders kostengünstig ist.

Da sprechen Fachleute – in verschiedener Hinsicht. Das klingt nach einer Radsport- oder Mountainbike-verrückten Familie. Trifft das zu?
GS: Es kommt drauf an, wie man verrückt definiert, aber vermutlich würden uns einige Leute so klassifizieren. Seit es den Weltcup in Albstadt gibt, hatten wir ganz viele verschiedene Nationen bei uns zu Gast. Rotem Ishay, ein Israeli zum Beispiel. Er hat mal gesagt, er habe schon viel erlebt, aber eine Familie, die auf so verschiedene Weise an einem Event involviert wäre, noch nie. Ich bin damals mitgefahren, Tobi war schon (als Reporter) bei MTB-News, Papa war in der Organisation tätig und auch unsere Mutter hat geholfen.  
Wie wird man denn zu so einer Familie? Wie hat alles angefangen?
BMS: Mit Gabriel hat alles angefangen.
TS: Wir waren erst mal Fußballer.
BMS: Fußball, ein bisschen Handball. Tobi war mal eine Weile bei den Pfadfindern. Die Burschen haben verschiedene Dinge ausprobiert. Und Gabriel kam irgendwann mal und wollte Rad fahren.
GS: Nein, ich wollte einfach mal noch was anderes machen. Fußballspielen alleine war mir.nun ja, nicht langweilig. Aber im Dorfverein waren die Möglichkeiten limitiert und es war die Frage ob ich versuche höherklassig zu spielen oder was Neues auszuprobieren. Ich war immer offen dafür, das war 2006, ich war ungefähr Zehn. Zur Vorgeschichte muss man aber auch sagen, dass Vater schon seit 20 Jahren den Albstadt Bike-Marathon fährt und täglich mit dem Fahrrad zur Schule. Fahrrad war schon ein Bestandteil der Familie.  
TS: Und parallel zum Fußballspielen sind wir seit der U9 immer beim City-Sprint, im Rahmen des Albstadt Bike-Marathon mitgefahren.
BMS: Das hat natürlich auch eine Wirkung gehabt.  
TS: 2002 bin ich zum erstem Mal mitgefahren, du 2004.  
BMS: Da muss man dazu sagen. Wir wohnen hier in Margrethausen jetzt seit 23 Jahren..
TS:...jetzt holst du aber weit aus.
BMS: Ich bin immer mit dem Fahrrad zur Schule und ein Kollege meinte, komm, du fährst jeden Tag hierher, den Bike-Marathon kannst du probieren. Das war 98. Im Stadtteil gab es eine Clique, die sind Rad-Marathons gefahren. Die Clique hatte eigene Trikots und das hat die Jungs auch angemacht. In diesen Trikots sind die dann den City-Sprint gefahren. Sie sind dann auch die Stadtmeisterschaften gefahren. Gabriel wollte dann da in den Verein. So hat das angefangen. Das hat klein angefangen. Rainer Schairer hatte eine Gruppe und ich habe eine Gruppe betreut.   
GS: Rennen fahren, das war damals logisch, das war das offensichtliche Ziel des Trainings. Man ist regionale Serien gefahren.  
Dass Sie vorher in der Familie nichts mit Radsport zu tun hatten, ist fast typisch für Mountainbiker..  
BMS: Nun, das Fahrrad war für mich, schon im Studium, einfach ein normales Verkehrsmittel.  
GS: Dass wir da reingerutscht sind, hat wohl hauptsächlich damit zu tun, dass unsere Eltern gesagt haben, sie unterstützen uns bei dem, was wir tun. Wenn Fußball spielen reicht, dann wären wir auch da glücklich geworden. Wir haben uns da halt immer mehr reingesteigert.  

Sie alle haben es beim Rennen fahren aber nicht belassen. Der Vater wird zum Trainer, die beiden Söhne haben irgendwann begonnen den Sport auch journalistisch zu begleiten. Sie haben sich mit dem Bike-Virus – sofern man das Bild in dieser Zeit gebrauchen darf – aber richtig infiziert.  
BMS: Ich hatte vom Studium her eine Breitensport-Lizenz. Als die Jungs Fußball spielten, habe ich die entsprechende Mannschaft auch trainiert. Als es dann mit dem Radsport mehr wurde, hat mich der Rainer (Schairer) gefragt, ob ich mitmachen könnte, damit es zwei Gruppen gibt. Aber vieles hat sich von alleine entwickelt. Da war eine Dynamik, ohne große Planung. Ohne große Systematik. Dann kam dieser dritte Platz von Aaron Beck (U19) bei der deutschen Meisterschaft hier in Albstadt. Es gab Anfragen von anderen Teams. Rainer hatte das Gonso-Rawoflex-Team gegründet, was ein erster, wichtiger Schritt in Richtung gezielter Leistungssport war. Aber ganz weit nach vorne kam da noch niemand. Wir haben dann gesagt, um die Früchte der eigenen Nachwuchsarbeit zu ernten, müssten wir eine eigene leistungssportliche Gruppe gründen. Das nannte sich dann „Pro-Team“. Es gab eine heftige Diskussion, ob man das macht.

Warum?
BMS: Weil es so eine Art Zweiklassengesellschaft entsteht. Aber wenn du im Leistungssport weiterkommen willst, dann brauchst du Methodik und Konzeption. So ist das Gonso-Simplon Racing Team entstanden. Wie ich vorhin schon sagte, in Albstadt saßen wir quasi zwischen den Stühlen der Region um Bad Urach, Neuffen, Kirchheim und Freiburg. Wir hatten nicht so die Lobby. Ich habe dann die B-Lizenz-Ausbildung gemacht und wir sind immer systematischer und fundierter geworden. Vereinsintern hatten wir dann ab U15 ein klares Konzept mit Kriterien.  
TS: Das Nachwuchs-Konzept war schon ziemlich gut. Ich glaube, dass wenige Vereine in Deutschland so ein Konzept habe. Das beruht auf den Ideen von Rainer Schairer, Ulf Haasis und unserem Vater. Das war ein Förderkonzept, mit Leistungssport- und Breitensport-Schiene. So wie es in Fußballklubs gang und gäbe ist.  
GS: Es war ja auch erfolgreich. Franka (Durst, Deutsche Jugendmeisterin 2017) und Ronja (Eibl) sind daraus hervorgegangen.  
BMS: Ja, dazu stehe ich nach wie vor. Auch wenn es umstritten war und zu Brüchen geführt hat. Aber wenn du Leistungssport betreiben willst, dann musst du irgendwann einen Cut machen. Die Bedarfe eines Leistungssportlers sind oftmals andere als die eines Hobbysportlers. Da kann man irgendwann keine Kompromisse mehr machen. Das hat dazu geführt, dass wir irgendwann sponsorentechnisch auch besser aufgestellt waren, die Rahmenbedingungen besser wurden, schlichtweg professioneller – in Anführungsstrichen – organisatorisch aufgestellt waren. Aber unser Ansatz ist, uns niemand zu holen. Wir sind ein regionales Nachwuchsteam und rekrutieren unsere Leute aus der eigenen Nachwuchsarbeit.  

Tobias und Gabriel Sindlinger arbeiten als „studentische Hilfskräfte“ für das Mountainbike-Internetportal mtb-news.de. Es ist das größte seiner Art in Deutschland, vielleicht sogar in Europa. Das Portal hat sportlich gesehen, das größtes Augenmerk auf den Downhill-Disziplinen, ist aber auch Forum für Technik-News, Bike-Tourismus und Amateur-Sportler. Die Disziplin Cross-Country war lange ein Neben-Schauplatz.
Zufällig  - oder auch nicht – war es mit Thomas Fritsch ein Vereinsmitglied der RSG Zollernalb, durch den die olympische Disziplin auf mtb-news.de mehr Gewicht bekam. In seinem Gefolge wuchs die RSG-Fraktion mit Tobias Steinhart und den Sindlinger-Brüdern auf vier Leute an. Inzwischen sind es vor allem Tobias und Gabriel Sindlinger, die mit ihren begrenzten zeitlichen Möglichkeiten, aber mit sehr viel Sachverstand versuchen die Ausdauer-Disziplin auf der Plattform zu präsentieren. Tatsächlich gelingt ihnen das sehr gut, denn die Klickzahlen ihrer Stories lassen deutliche Aufwärtstendenz erkennen. Beim Weltcup in Albstadt sind die Beiden auch in dieser Funktion am Start.

Tobias, Sie sind praktisch Ihrem jüngeren Bruder gefolgt und auch Rennen gefahren und dann später auch in die Nachwuchs-Betreuung eingestiegen. Wie aber kam es dazu, dass Sie beim größten deutschen Mountainbike-Portal mtb-news.de journalistisch tätig geworden sind?
TS: Im Endeffekt war Tom Fritsch verantwortlich. Der ist ja auch aus der RSG und den kannte man halt. Er ist ein paar Jahre älter und ist über zwei Brüder zu MTB-News gekommen. Er war zu dem Zeitpunkt der einzige Cross-Country-Redakteur. Die Leserschaft von MTB-News.de ist eher auf Downhill orientiert. Tom war als studentischer Mitarbeiter als einziger für Cross-Country zuständig und ist da auch an seine Grenzen gekommen. Ich habe 2014 angefangen zu studieren und habe nebenher hin und wieder Berichte für das Team geschrieben. Tom hat mich dann gefragt ob ich nicht Bock hätte mitzumachen und auf Minijob-Basis einzusteigen.

Das haben Sie dann gemacht.  
Für mich war das ein Jackpot-Nebenjob, weil ich mich da schon brutal viel angelesen habe. Von der Technik als auch von der Rennszene her. Ich kannte jeden Fahrer, auch Leute, die um Platz 40 fahren. Ich habe mich sehr dafür begeistert. Insofern war es ein super Job und es ist dann Stück für Stück gewachsen. Tom war fertig mit dem Studium und hat sein Pensum zurückgefahren. Dann kamen Christian Schöllhorn und Gabi (Gabriel) dazu. Christian ist inzwischen nur noch bei Events dabei, ansonsten machen es Gabi und ich zusammen federführend. Aber immer noch als Nebenjob. Ab 2016 kann es Gabi dann erzählen (lacht).  
GS: Man lernt ja dazu. Man ist ja nicht von Beginn an der beste Journalist. Vor allem nicht, wenn man mit Rechtschreibung – Vater grinst (und der Sohn auch) – die Kommasetzung ist das große Problem (lacht). Nein, man wird besser und wir haben das Glück, dass das, was wir machen, gut angenommen wird. Wir haben immer einen Fotograf bei den Weltcups, der uns sehr gute Bilder liefert und garniert mit den Berichten wird das sehr gut angenommen. So ist das Ganze gewachsen. Wir erreichen eine breite Masse.  
TS: Wir mussten überlegen, wie wir vorgehen und schauen, wie wir als Studenten ein sinniges Konzept aufziehen können. Wir konnten in Sachen Aktualität nicht in Konkurrenz treten, aber eine geile Foto-Story aufziehen, das konnten wir umsetzen.  

Es verändert ja sicher auch die Perspektive, wenn man anfängt über das, was man selber auch macht, zu schreiben, oder?
GS: Ich finde es spannend beide Seiten zu haben. Wenn ich beim Weltcup in Albstadt oder in Nove Mesto beides erleben kann. Sich vorzubereiten auf ein Rennen, es möglichst gut zu fahren, dann aber am nächsten Tag dazustehen und dann das Ganze journalistisch aufzuarbeiten. Das ist ganz cool.  
BMS: Was ich immer sehr spannend finde, sind die Blogs von den Etappenrennen. Da ist die Verknüpfung journalistische Tätigkeit und sportliche Leistung am direktesten zu erleben. Was ich an Kommentaren dazu höre, kommt das super an. Journalistisch ist da vielleicht noch ein bisschen Luft nach oben, aber wenn die sportliche Leistung nicht da wäre, wenn ihr voll im Hobby-Block fahren würdet, dann hätten die Berichte noch mal eine andere Charakteristik. Das heißt nicht schlechter, aber die Zielgruppe ist eine andere. Ihr habt einfach noch leistungssportliche Ambitionen und das wirkt schon.  
TS: Es gab jetzt schon Hersteller, die unser Liveblogs so gut fanden und mit dem Vorschlag kamen uns für ein Etappenrennen mit Bikes auszustatten. Um danach einen Test zu schreiben. Wir fahren bei Etappenrennen nie ganz vorne mit, aber wir haben ein gutes Niveau. Wir sind fit, aber sind keine Profis.  
GS: Es kommt wohl ziemlich authentisch an. Die Sindlinger-Brothers haben uns da ein Stück weit einen Namen gemacht (lacht).  
TS: Wir sind halt nicht als Profis unterwegs. Wenn man bedenkt, in Südafrika (beim Etappenrennen Cape Pioneer) haben wir im Zelt gepennt, unser Gepäck war zu knapp, wir konnten nicht mal mehr eine BlackRoll (Massage-Rolle) mitnehmen. Wir hatten eine chillige Woche, haben versucht das maximal gut hinzukriegen und nebenher noch einen Blog zu schreiben. Wir hatten keinerlei Betreuung mit dabei. Wir sind immer noch um Platz zehn bis zwölf rum gefahren. Das kommt wohl ganz gut an.  

Und was bringt der Perspektiven-Wechsel mit sich?
TS: Du hast so ein krass breites Spektrum, weil du mit allen Aspekten der MTB-Szene in Berührung kommst. Du kennst die Renn-Szene, du weißt wie es ist Rennen zu fahren, Du kennst die Fahrer, hast Kontakte mit der Industrie und bekommst ein komplettes Rundum-Bild. Das finde ich ganz cool.  

Es ist sicher nicht so einfach nach Etappenrennen, wenn man erschöpft ins Ziel kommt, noch an den Laptop zu sitzen und einen Bericht zu schreiben?
GS (lacht): Es gibt eine witzige Geschichte. Wir sind 2015 gemeinsam die Transalp-Challege gefahren (Etappenrennen für Zweier-Teams über die Alpen). Ich habe damals noch nicht für MTB-News gearbeitet und Tobi hat alles alleine gemacht.  Während ich mich nach der Etappe ins Bett gelegt habe und habe gepennt. Neben dran musste sich Tobi abrackern. Das war regelrecht dreist (lacht). Da merkt kann schon, dass es eine zähe Nummer ist.
TS: Das kann schon ultra hart sein. Voriges Jahr sind wir das Epic Israel gefahren und ich habe mir den Magen verdorben. Das komplette Rennen war einfach nur eine Qual. Mir war kotzübel. Dann bist du im Ziel, trinkst...essen konnte ich nicht mehr..dann sitzt du da und denkst, sch.., jetzt kannst du noch mal drei Stunden Artikel schreiben. Es ist ultra zäh, aber es macht Spaß und für uns gehört es inzwischen einfach dazu. Ist halt so. Du fährst morgens Rennen und machst mittags deinen Artikel.  

Verlassen wir mal das Thema Journalismus. Es gibt in Ihrer Familie ja die Vater-Sohn-Beziehung, die begleitet wird von der Trainer-Sportler-Konstellation..
BMS (lacht).
...da lacht schon einer. Wie viel Konfliktpotenzial birgt das denn?
BMS: Das ist wahrscheinlich eine Frage der Sichtweise (lacht).   
TS: Wenn man keinen Bock hat, was der Trainer sagt, fährt man halt was anderes (lacht).  
BMS: Ich glaube, inzwischen ist das ganz entspannt. Das liegt sicher an beiden Seiten. Was Tobi betrifft..weiß nicht, hatten wir schon mal Diskussionen?
TS: Wir diskutieren regelmäßig übers Training, weil ich – unabhängig von MTB-News – inzwischen auch den C-Trainer-Schein habe und bin in Trainingslehre involviert. Wir diskutieren viel über Inhalte, aber es ist nicht so, dass du mir einen Plan gibst und ich den nicht einsehe. Das gab es selten bis nie. Wenn, dann geht es um grundsätzliche Überlegungen. Wenn eine neue Studie rauskam, zum Beispiel. Oder wenn ich über MTB-News Kontakte zu Profis habe, die mir mal interne Sachen erzählen aus dem Training. Über so was wird schon diskutiert.  
BMS: Wobei ich mich erinnere, wenn ich was Neues ausprobieren wollte, hatten wir schon auch Diskussionen. Dann war da schon die Frage, muss man das jetzt wirklich. Schwierig war als Gabriel erfolgreich war und dann die Pollenallergie bekommen hat. Das war eine frustrierende Zeit. Du hast (in der U17) zu den besten Fünf in Deutschland gehört und da war familienintern schon die Diskussion ob es nicht einen Trainerwechsel geben sollte. Ob es wirklich sinnvoll ist, wenn der Vater auch Trainer ist. Es war klar, da ist Potenzial, aber es ist nicht abrufbar. Kann schon sein, dass ich das eine oder andere übers Knie brechen wollte – oder alle miteinander. Da gab es einfach eine Limitierung, mit der wir erst umgehen lernen mussten.  
GS: Wir haben ja das Glück, dass wir das Ganze aus Leidenschaft und Spaß machen. Ob ich mal einen Intervall weniger fahre oder mehr, denken ich und Vater nichts dabei. Wir sind aus dem Alter raus, in dem der Ernst den Spaß und die Leidenschaft übersteigt.  
BMS: Also, ich glaube, ich habe nie einen Sportler zur Sau gemacht, wenn er ein Intervall weniger fährt.
TS: Nee. Salopp gesagt: bei uns geht es um keinen Weltmeister-Titel mehr und das haben alle Seiten akzeptiert.  
Alle: lachen.  
GS: Der es am wenigsten akzeptiert, ist der Vater (alle lachen)   
TS: Der Vater und der Trainer haben es auch erkannt. Es gibt viele Leute, die fragen mich: warum tust du dir das Rennen fahren noch an. Aber es macht halt Bock und deshalb machen wir das. Man freut sich ein geiles Ergebnis. Das Rennen kann genauso geil sein, ob du in der Bundesliga nun 27. oder 28. bist. Das haben wir akzeptiert.  
Die Konstellation hier vor den Bildschirmen ist ein bisschen ungerecht, weil zur Familie Sindlinger ja auch noch Mutter Karla gehört. Sie hat keine offizielle Rolle, aber sie spielt trotzdem eine sehr wichtige.  
BMS: Ohne Karla würde nichts funktionieren. Nach außen hin ist sie eigentlich die Fotografin. In den vergangenen beiden Jahren war sie nicht mehr so viel dabei, das merkst du definitiv. Sie fehlt einfach. In Heubach hatten wir bei Jan Nägele (RSG-Nachwuchsfahrer) eine Sturzverletzung. Dann ist sie mit ihm zu den Sanitätern. Und sie hält uns zuhause den Rücken frei. Wenn du Samstag in der Früh los fährst, kannst du alles stehen und liegen lassen.  
TS: Bei Weltcup-Wochenenden in Albstadt oder auch bei der Cross-DM. Wir kennen viele Leute und beim Weltcup ist das Haus bis unter den Dachfirst voll. Es gibt Leute wie Simon Schneller (Deutscher U23-Meister), der guckt gar nicht mehr woanders. Das frühere MHW-Team (heute GTR) ist immer da. Inzwischen sind sie zu groß und haben die Ferienwohnung gegenüber gemietet. Aber zum Essen sind sie trotzdem da. Wir hatten Neuseeländer da, Israelis..wir hatten schon vier, fünf, sechs Weltcupfahrer gleichzeitig im Haus. Die alle was anderes zum Essen gebraucht haben.

Und die werden von Mutter Karla versorgt?
Ja. Und dann hilft sie noch in der Startnummern-Ausgabe und unterhält alle, auch auf Englisch.
GS: Auf der familiären Ebene ist auch wichtig, dass es jemand gibt, der andere Dinge sieht. Gerade als es bei mir nicht mehr lief. Sie unterstützt uns dann emotional.  

Der Name Ronja Eibl ist ja auch schon gefallen. Herr Mast-Sindlinger, Sie sind nach wie vor Coach der Olympia-Aspirantin aus der Nachwuchsarbeit der RSG Zollernalb und ihre Söhne haben die Entwicklung auch mitbegleitet. Wie oft ist sie denn Thema in Ihrer Familie?
TS: Ist präsent.
BMS: Ja, aber nicht so..
TS...man verfolgt sie und ihre Rennen schon sehr genau. Wenn Weltcups in einer anderen Zeitzone sind, also zu einer komischen Uhrzeit, dann sitzt man schon vor dem Livetiming. Ich habe sie ja erst mal trainiert, bis einschließlich U17 werden die Nachwuchs-Fahrer in der RSG von mir betreut. In der U19 werden sie dann von Papa übernommen. Sie war die erste Fahrerin von mir, die in den Landeskader kam.  
BMS: So lange Ronja im Vereinstraining war, hatten wir mehr Kontakt. Sicher, wenn was ist, tauschen wir uns aus.  
GS: Bei den Rennen ist das auch ganz cool, wenn du im Pressebereich jemanden triffst, den du aus dem Heimatverein kennst.  

Mal ehrlich. Haben Sie in der U15 und U17 für möglich gehalten, dass sich Ronja Eibl bis zur U23-Weltcupsiegerin und Olympia-Kandidatin entwickeln könnte?
BMS: Das ist die falsche Frage. Was nicht in diesem angesprochenen Konzept nicht verschriftlicht ist,...ich vergesse die Situation nie. Bei dem komischen Bundesliga-Rennen auf der Motocross-Strecke am Nürburgring stand ich an einem steilen Anstieg. Es war das erste Bundesliga-Rennen (U19), das sie gewonnen hat und zum ersten Mal gegen die Leonie (Daubermann). Die war immer ganz weit weg. Bundestrainer Marc Schäfer stand neben mir und sagte, die Ronja würde mich immer als Bremser bezeichnen. Das ist nach wie vor ein Thema. Auch aktuell wieder.

Inwiefern?
Die Corona-Pandemie bringt zum Teil exorbitante Trainingsumfänge mit sich, wo ich auch wieder gesagt habe: nimm’ mal ein bisschen Gas raus. Das ist prinzipiell in der Nachwuchsarbeit die Gefahr, dass man viel zu schnell zu viel will. Deshalb bekommen bei uns zum Beispiel die Kids erst im zweiten U15-Jahr einen konkreten Trainingsplan und erst in der U17 geht es mit einem ausdifferenzierten Plan weiter. Also die Entwicklung erst mal laufen zu lassen. Wenn es sich ein Potenzial ergibt, versuchen wir das gut zu steuern. Bei uns hat sich niemand die Frage gestellt, wird die mal...
GS: Konkret muss man sagen: nein. Klar, du träumst erfolgreich zu sein, man hat seine Wünsche. Aber Fakt ist, dass einem relativ schnell klar wird: Weltmeister wird man nicht. Dementsprechend geht man in dem Alter nie davon aus, dass es so krass und so erfolgreich wird. Und in dem jungen Alter ist Ronja gerade mal so bei den deutschen Meisterschaften unter die besten Zehn gefahren. Nein, es hätte niemand damit gerechnet.  
BMS: Da hätte man eher bei Gabriel damit gerechnet, dass es weiter geht, weil er ja schon die Ergebnisse hatte. Aber Ronja ist in der Nachwuchs-Sichtung nie über Fünf rausgekommen. Zu dem Zeitpunkt war für uns im Verein Thema, dass wir überhaupt Mädels bekommen, die ambitioniert Radsport betreiben. Lange Jahre war das ein brach liegendes Feld, ist es aktuell eigentlich wieder und es war eher die Zielsetzung da eine Gruppe zustande zu bringen. Mit Nora Schulzke, Elisa Steinhart und Franka Durst ist da dann auch eine entstanden. Kann sein, wenn es die nicht gegeben hätte, wäre Ronja auch nicht da, wo sie jetzt ist.  
TS: Man muss sagen, dass Gabi der einzige RSGler war, der alle Landeskader bis zur U23 durchlaufen hat. Das hat Ronja nicht geschafft. Nüchtern betrachtet ist Ronja schon ein Paradebeispiel dafür, wie man sich das damals vorgestellt hat. Dass man die Kinder eben nicht zu früh verheizt. Ich hätte nicht gedacht, dass sie U23-Weltcupsiegerin wird, aber ich habe schon gesehen, dass ein gewisses Potenzial da ist. Von der Trainingsdokumentation her hat man auch gesehen, dass da auch noch mächtig Potenzial da ist, obwohl die Ergebnisse nicht derart da war. Aber wo das hinführt, das kann man nie sagen. In der U15 und in der U17 war sie körperlich auch benachteiligt, ist sie vielleicht jetzt noch.  

Kurzporträts
Bernhard Mast-Sindlinger  
Alter: 54
Beruf: Studium der Sonderpädagogik und Diplompädagogik, Schulleiter am Sonderpädagogischen Bildungszentrum in Tailfingen

Tobias Sindlinger
Alter: 26  
Beruf:  Master-Student im Bau-Ingenieurswesen
Sportliche Erfolge:  5 Weltcup-Teilnahmen (Elite), 3. der Baden-Württembergischen Meisterschaften, 20. der Bundesliga-Gesamtwertung 2018, jeweils Elfter Platz beim Etappenrennen Swiss Epic (Schweiz) und beim Cape Pioneer (Südafrika) mit Bruder Gabriel

Gabriel Sindlinger:   
Alter: 23
Beruf: Student der Wirtschaftsmathematik
Sportliche Erfolge: 7 Weltcup-Teilnahmen (4x in Albstadt)
Teilnahme an der TFJV (multidisziplinärer Vergleichswettkampf in Frankreich)
7. der Gesamtwertung der BDR Nachwuchs-Sichtung U17, jeweils Elfter Platz beim Etappenrennen Swiss Epic (Schweiz) und beim Cape Pioneer (Südafrika) mit Bruder Tobias.

Weitere Informationen unter www.world-cup-albstadt.de und www.wm2020albstadt.de
  

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